Der folgende Beitrag solle einen kurzen Überblick über die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen zum autonomen Fahren in Österreich im Vergleich zu Deutschland und den USA geben.
Die politischen Ziele sind im Zusammenhang mit der zukünftigen Ermöglichung des autonomen Fahrens in Österreich motiviert. So wird in der Regierungsvorlage zur 33. KFG- Novelle von der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage gesprochen, damit „automatisiertes Fahren“ unter bestimmten Rahmenbedingungen möglich wird. Tatsächlich wurden nur unzureichende Regelungen in Bezug auf „Testfahrten“ geschaffen. Mit der 33.KFG-Novelle aus dem Jahr 2016 wurden die §§ 102 Abs 3a und 3b KFG geschaffen auf denen die vom BMVIT erlassene AutomatFahrV basiert. Dern breitesten regulatorischen Rahmen beinhaltet der Code of Practice, deren Einhaltung als soft-law allerdings nicht zwingend ist.
Der novellierte § 102 KFG lautet wie folgt:
„Nach § 102 Abs. 3 werden folgende Abs. 3a und 3b eingefügt:
(3a) Sofern durch Verordnung vorgesehen, darf der Lenker bestimmte Fahraufgaben im Fahrzeug vorhandenen Assistenzsystemen oder automatisierten oder vernetzten Fahrsystemen übertragen, sofern
1. diese Systeme genehmigt sind oder
2. diese Systeme den in der Verordnung festgelegten Anforderungen für Testzwecke entsprechen.
(3b) In allen Fällen gemäß Abs. 3a kann von den Pflichten des Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Sätze 3, 4 und 5 abgewichen werden. Der Lenker bleibt aber stets verantwortlich, seine Fahraufgaben wieder zu übernehmen. Durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie wird festgelegt,
1. in welchen Verkehrssituationen,
2. auf welchen Arten von Straßen,
3. bis zu welchen Geschwindigkeitsbereichen,
4. bei welchen Fahrzeugen,
5. bestimmte Fahraufgaben welchen Assistenzsystemen oder automatisierten oder vernetzten Fahrsystemen übertragen werden können.“
Die detaillierten Lenkerpflichten sind in der StVO verankert und müssten bereits aus kompetenzrechtlichen Gründen in der StVO näher determiniert werden und auf die Vollzugskompetenz der Länder Bezug nehmen, um dem Legalitätsprinzip zu entsprechen. Derzeit fehlt jedoch eine derartige Vorschrift in der StVO.
Aktuell sind daher in Österreich gem § 103 Abs 3 KFG iVm mit der AutomatFahrV lediglich Testfahrten zulässig und zwar nach Erteilung einer entsprechenden Genehmigung (Bescheinigung) durch den Bundesminister des BMVIT.
Die AutomatFahrV, die gemäß § 103 Abs 3b KFG durch den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie erlassen wurde, sieht selbst bei Testfahrten vor, dass ein Lenker in kritischen Situationen unverzüglich eine Notfallvorrichtung betätigen muss, mit der das System deaktiviert werden kann.
Eine hinreichende Definition in welchen Situationen von einer „kritischen Situation“ ausgegangen werden muss sowie, welche Zeitspanne mit „unverzüglich“ gemeint ist, enthält die Verordnung nicht.
Auf Autobahnen und Schnellstraßen sind laut Verordnung nur Testfahrten von Autobahnpiloten mit automatischem Spurwechsel vorgesehen. Von autonomen Fahren kann technisch erst dann gesprochen werden, wenn ein gänzlicher Verzicht auf einen Lenker im Kraftfahrzeug rechtlich möglich ist.
Die Rechtsbestimmungen in Deutschland sind im Vergleich zu Österreich bereits einiges weiter gediehen. Im Jahr 2017 wurden in Deutschland bereits erste Bestimmungen (§ 1 a ff StVG) für den Regelbetrieb des automatisierten Fahrens erlassen. Sohin ist der deutsche Gesetzgeber bereit hochautomatisierte Fahrzeuge der Stufe SAE 3 zuzulassen, welche folgende Eigenschaften besitzen:
„Der Fahrer muss das System nicht dauernd überwachen. Das Fahrzeug führt selbstständig Funktionen wie das Auslösen des Blinkers, Spurwechsel und Spurhalten durch. Der Fahrer kann sich anderen Dingen zuwenden, wird aber bei Bedarf innerhalb einer Vorwarnzeit vom System aufgefordert die Führung zu übernehmen.“
Die verpflichtende Übernahme durch den Lenker wird gem § 1 b Abs 1 StVG wie folgt definiert:
„wenn das hoch- oder vollautomatisierte System ihn dazu auffordert oder wenn er erkennt oder auf Grund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen.“
Die Übernahmeverpflichtung des Lenkers wird wie in Österreich mit der „Unverzüglichkeit“ verknüpft. Somit bleibt der Gesetzgeber auch in Deutschland wage. Das Risiko wird sohin weiterhin völlig auf den Lenker übergewälzt. Die Judikatur wird erst zeigen, welche Kriterien als „offensichtliche Umstände“ zu werten sind, die den Lenker zur unverzüglichen Übernahme des Fahrzeuges verpflichten. Die datenschutzrechtlichen Regelungen in Bezug auf die Weitergabe der aufzuzeichnenden Daten an Behörden enthalten keine ausreichenden Schutzbestimmungen für den betroffenen Lenker.
Insgesamt bieten die Bestimmungen in Deutschland sohin wenig Substanz, um sie auf die österreichische Rechtsordnung umzumünzen.
Ein Blick in die USA nach Californien – in das Mekka der technologischen Innovation – zeigt, dass der Bundesstaat des Silicon Valley, neben der technischen Vorreiterrolle (zB Google Car, Tesla etc), auch in der Gesetzgebung bereits recht fortgeschritten ist.
In den USA ist die Regulierungszuständigkeit für Kraftfahrzeuge zwischen gesamtstaatlicher Ebene (federal level) und einzelstaatlicher Ebene (state level) verteilt. Während technische Sicherheitsstandards (Federal Motor Vehicle Safety Standards, kurz „FMVSS“) auf gesamtstaatlicher Ebene (federal level) durch die NHTSA (national Highway Traffic Safety Administration) vorgegeben werden, werden die verkehrsrechtlichen Regelungen wie Verhaltensregeln, Führerscheinregelung, etc durch die einzelnen Bundesstaaten geregelt.
Die Produzenten können Auslegungsfragen zu einzelnen Sicherheitsstandards der FMVSS direkt an die NHTSA richten. Google hat diese Möglichkeit bereits genützt und die NHTSA hat bereits bestätigt, dass eine künstliche Intelligenz, die das Fahrzeug steuert, als „driver“ iSd FMVSS gilt.
Bereits 2012 hat Californien mit dem CVC (California Vehicle Code) den ersten Rechtsrahmen für die Verwendung von automatisierten Fahrzeugen vorgegeben. Gem § 38750(a) 1 CVC ist ein „Autonomous vehicle“ ausgestattet mit „technology that has the capability to drive a vehicle without the active physical control or monitoring by a human operator.“ Der Gesetzgeber hat zusätzlich den Begriff „operator“ definiert. „Operator“ kann sohin entweder eine Person am Fahrersitz sein, oder eine Person, die das automatisierte System einschaltet. Dem DMV (Department of Motor Vehicles) wurde die Aufgabe übertragen, konkrete Durchführungsregelungen im CCR (California Code of Regulations) zu erlassen.
Im September 2017 ist mit Zustimmung im Repräsentantenhaus ein großer Wurf in Richtung einheitlicher gesamtstaatlicher Regelung gelungen. Der „Self Drive Act“ soll landesweit einheitliche Regelungen für hochautonome Testfahrten der SAE Stufe 4 ermöglichen (also ohne dass ein unverzügliches Einschreiten einer natürlichen Person erforderlich ist). Im Gegensatz zu Österreich und Deutschland sollen damit bereits Regelungen geschaffen werden, die das Testen von hochautonomen Fahrzeugen in großen Stückzahlen ermöglicht. Die derzeitigen Beschränkungen von maximal 2.500 zugelassenen Testautos sollen in 3 Jahren auf 100.000 Stück angehoben werden. Die Bestimmungen sehen auch engmaschige Berichtspflichten an die NHTSA (national Highway Traffic Safety Administration) vor. Mit den damit ausgewerteten Daten sollen den Produzenten untereinander rasch die notwendigen Ergebnisse aus der Praxis geliefert werden. Hierfür wird auch schwerpunktmäßig die Einrichtung von Subkomitees für die Bereiche Behindertengerechtigkeit, Cybersecurity und Konsumentenschutz, Alternative Ladeinfrastruktur und technische Sicherheit vorgesehen.
Es bleibt abzuwarten, ob der Kongress dem „Self Drive Act“ vollinhaltlich zustimmt einschränkt oder wieder verwirft. Im Falle des Durchwinkens dieses Gesetzes könnte dies der amerikanischen Autoindustrie die Möglichkeit bieten die deutsche Konkurrenz rasch zu überholen. Der Druck auf die Industrie den Durchbruch der Technologie zu schaffen dürfte jedenfalls stetig steigen, denn die Konkurrenz in Singapore hat 2016 bereits erste Tests mit autonomen Taxis in der Öffentlichkeit erfolgreich durchgeführt. Vor dem Hintergrund der Rechtsentwicklung in den USA wäre es jedenfalls sinnvoll, wenn die Europäische Union ebenfalls mit einer entsprechenden Verordnung und der Einrichtung einer zentralen Informations- und Meldestelle voranschreitet und entsprechende Testfahrten der SAE Stufe 4 möglichst rasch in Erwägung zieht, um der heimischen Wirtschaft ebenfalls die notwendigen Daten liefern zu können und um rasch einheitliche Standards für die Alltagstauglichkeit der autonomen Fahrzeuge zu schaffen.